Lyreco Coffee Solutions, Working together, Tadah Co-working Space

Wie sieht der Arbeitsplatz der Zukunft aus?

Die Arbeitswelt ist im Wandel. Wie verändern Digitalisierung, Globalisierung und neue Technologien unsere Jobs, Qualifikationen und unsere Zusammenarbeit? Wohin die Reise geht, das weiss Barbara Josef, Unternehmerin und Expertin für neue Arbeitswelten.

Frau Josef, muss Arbeit Spass machen?

Nein, das muss sie nicht – genauso wie private Beziehungen nicht immer Spass machen müssen. Arbeit muss bedeutsam sein. Entweder bringt sie mich inhaltlich weiter, weil ich mich in eine bestimmte Richtung entwickeln kann, oder sie ermöglicht es mir, mich für etwas zu engagieren, das mir wichtig ist.

 

Was verstehen Sie unter dem Begriff «Arbeitsplatz der Zukunft»?

Das Konzept «Arbeitsplatz» löst sich gerade auf. In Zukunft werden wir von Arbeitsorten sprechen – zumindest, was Menschen betrifft, die einer wissensintensiven Tätigkeit nachgehen. Arbeit findet nicht mehr «per default» im Büro statt, sondern wir wählen den Ort, der für eine Tätigkeit am besten geeignet ist. Das klingt banal, hat aber weitreichende Konsequenzen. Organisationen verlieren an Einfluss und Individuen müssen in der Lage sein, sich selbst zu managen. Ich sehe diese Entwicklungen als Chance, Arbeit noch besser und sinnvoller zu gestalten.

 

Wie werden die Arbeitsmodelle im Jahr 2030 aussehen?

Für mich ist nur eines klar: Wir erleben derzeit den wohl fundamentalsten Wandel in unserer gesamten Berufslaufbahn. Alles andere ist momentan offen, wir fischen alle im Trüben. Die Erfahrungen rund um die Pandemie haben uns auf eindrückliche Weise vor Augen geführt, dass grosse Veränderungen weder vorhersehbar, noch eine lineare Entwicklung sind. Trotzdem möchte ich einen Blick nach vorne wagen und drei Themenfelder ansprechen.

Wohlbefinden
1.

Ganzheitliche Betrachtung von Leistung

Das Thema Wohlbefinden gewinnt momentan massiv an Bedeutung. Gemeint ist damit aber nicht der Sitzball im Büro oder das Anti-Stress-Seminar im Kloster, sondern vielmehr eine ganzheitlichere Betrachtung der Leistungsfähigkeit. Bei Wissensarbeitern besteht keine Korrelation zwischen Zeit und Output – es lohnt sich daher, zu hinterfragen, wie man die bestmöglichen Voraussetzungen für gute Arbeit schaffen kann. Und welche Aspekte Energie geben bzw. fressen.

Vertrauen
2.

Verantwortung und gegenseitiges Vertrauen

Der psychologische Vertrag ändert sich, also die Beziehung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Neue Arbeitsmodelle sind nur möglich, wenn beide Seiten mehr Verantwortung übernehmen und sich solidarisch zueinander verhalten. Führt man flexible Arbeitsformen ein, obwohl jeder dem anderen misstraut und auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, führt das genau zum Gegenteil von Flexibilität, nämlich lähmender Starrheit. Wer dieser Negativspirale ausweichen will, muss den Mut haben, wirklich neue Deals einzugehen, mit allen Konsequenzen.

Arbeitsplatz
3.

Coworking als Ergänzung zum Corporate und Homeoffice

Coworking wird in den nächsten zehn Jahren boomen. Die Wachstumskurve war schon in der Vergangenheit steil. Neu ist aber, dass nicht nur Freelancer, Start-ups und Mikro-Unternehmen die Nachfrageseite bilden, sondern zunehmend auch Firmen, die Alternativen zum Corporate Office suchen. Die Erfahrungen im Zusammenhang mit Covid-19 haben unser Denken unumkehrbar verändert; unreflektiertes Pendeln ins Büro ist passé. Coworking Spaces bieten als Büro am Wohnort eine interessante Ergänzung zum Corporate und Homeoffice. Und sie stärken die soziale Gesundheit – die Einbettung in eine lokale Gemeinschaft macht uns robuster.

Wie sieht die Arbeitskraft von morgen aus? Welche Fähigkeiten werden für Arbeitsnehmende relevant?

Diese Diskussion beschäftigt uns schon Jahrzehnte. Ich bin bei dieser Frage etwas ambivalent: Zum einen finde ich es enorm wichtig, sich vorausschauend mit diesem Thema auseinanderzusetzen, da unser Bildungssystem lange Vorlaufzeiten hat. Zum anderen wirkt die Diskussion teilweise sehr oberflächlich und unbeholfen. Für mich sind drei Dinge enorm wichtig: die Haltung, wie wir mit Unsicherheit umgehen, Selbstlernkompetenz und Eigenverantwortung. Alles andere kann man sich situativ aneignen.

 

Welcher Weiterbildungsbedarf entsteht dadurch?

In meinem ersten Job als Primarlehrerin hat mich die Aussage «Hilf mir, es selber zu tun» geprägt. Etwas radikal formuliert, könnte man viele der heutigen Weiterbildungsangebote ersatzlos streichen – sie machen uns eher unselbstständiger und ohnmächtiger. Viel wichtiger ist es, echte Lernerfahrungen zu schaffen. Warum nicht einen Marktplatz kreieren, wo neue Fragestellungen und Projekte ausgeschrieben werden und die Mitarbeitenden sich je nach persönlichem Interesse und geplanter Weiterentwicklung für diese Themen engagieren, ergänzend zu ihrer «normalen» Tätigkeit? Diese Form von «Job Crafting» wäre für mich die motivierendste und ehrlichste Form von Lernen. Gleichzeitig ermöglicht sie es den Unternehmen, schnell und interdisziplinär an neue Fragestellungen heranzugehen.  

 

Und wie müssen sich Führungskräfte wandeln?

Hier möchte ich Antoinette Weibel, Professorin für Personalmanagement an der Universität St. Gallen zitieren. Sie hat meine Frage zu diesem Thema unlängst wie folgt beantwortet: «Der Trend in der Führung geht hin zu verteilter Führung. Ich hoffe, dass Führungskräfte merken, dass sie nicht Helden sein müssen und eine gewisse Bescheidenheit hilfreich ist. Sie müssen selber nachfragen, wenn sie Dinge nicht können. Und vor allem müssen sie die anderen zum Glänzen bringen. Das sind alles Dinge, die ich mir wünschen würde für die zukünftige Führung. Ich fasse es manchmal so zusammen: Vertrauen mit Gefühl und Liebe.» Schöner kann man das nicht auf den Punkt bringen.

 

Welche Bedeutung haben Raumkonzepte für ein positives und motivierendes Arbeitsumfeld?

Räume spielen eine enorm wichtige Rolle für das Ergebnis unserer Arbeit. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber die Vorstellung, was gute Raumkonzepte ausmacht, verändert sich gerade stark. Beispielsweise schenkte man dem Thema Atmosphäre bislang wenig Bedeutung. Das Büro musste primär funktionalen Aspekten genügen und die Marke repräsentieren. Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass ein positives Arbeitsumfeld vor allem durch die Menschen und deren Umgang miteinander geprägt wird. Ich würde lieber auf einem Harass sitzen, als in einer Organisation arbeiten, die eine toxische Arbeitskultur hat.

Barbara Josef, Co-Founderin von 5-9 im Gespräch an der Bar

Wir werden uns in Zukunft bewusster für Formen der Zusammenarbeit und Medien entscheiden und die Zusammenarbeit neu aushandeln.

Barbara Josef
Co-Founderin von 5-9

Durch Corona ist Homeoffice heute allgegenwärtig. Verlieren physische Treffen dank dezentralem Arbeiten und digitalen Kommunikationskanälen an Relevanz?

Nein, im Gegenteil. Sie gewinnen sogar an Bedeutung im Hinblick auf die zunehmende Komplexität, mit der wir konfrontiert sind. Was sich jedoch verändert hat, ist, dass physische und synchrone Zusammenarbeit der Standard ist. Wir werden uns in Zukunft bewusster für Formen der Zusammenarbeit und Medien entscheiden und die Zusammenarbeit neu aushandeln. Virtuelle und asynchrone Formen der Zusammenarbeit sollten nicht als minderwertige Alternative im Vergleich zum physischen Austausch betrachtet werden. Wenn wir beispielsweise Wissen in digitalen Räumen wie Teams oder Slack teilen, ist es für viel mehr Menschen zugänglich, als wenn wir es in einem Sitzungszimmer teilen. Und es ist auch noch verfügbar, wenn Mitarbeitende das Unternehmen verlassen. Neue Formate werden oft zu Beginn mit dem alten Denken bespielt – ihren grössten Mehrwert entfalten sie aber erst, wenn man nicht Prozesse substituiert, sondern sich grundsätzlich Gedanken macht, mit welchem Vorgehen sich ein Ziel am besten erreichen lässt. Firmen, die über eine gute Feedback- und Reflexionskultur verfügen, sind für diese Herausforderung am besten gerüstet.

 

Wann und wofür wird man sich zukünftig noch am Arbeitsplatz treffen?

Es gibt vier Themen, für die wir auch in Zukunft ins Büro gehen: um gemeinsam Komplexes zu lösen, uns spontan und informell auszutauschen, Zugehörigkeit und Gemeinschaft zu erleben und die Identität und DNA der Organisation zu erleben und zelebrieren.

Barbara Josef, Co-Founderin von 5-9 im Gespräch an der Bar

Es darf nicht vergessen werden, dass ein positives Arbeitsumfeld vor allem durch die Menschen und deren Umgang miteinander geprägt wird.

Barbara Josef
Co-Founderin von 5-9
Allianz Suisse AG

Für das perfekte Pausenerlebnis

Pausen und Begegnungszonen gewinnen an Relevanz. Ist Ihr Pausenkonzept schon up to date? Nein? Kein Problem, der Lyreco Coffee Operating Service setzt genau hier an.

Wie hat sich das Verständnis der Zusammenarbeit gewandelt? Wie können Remote Teams erfolgreich aus der Ferne zusammenarbeiten?

Es ist wichtig, zwischen Remote Teams und flexiblen Arbeitsformen zu unterscheiden. In der Pandemie sind praktisch alle Teams unfreiwillig zu Remote Teams geworden. Doch diese radikalste Form von dezentraler Arbeit ist für viele Organisationen und Tätigkeiten nur bedingt sinnvoll. Etwas vereinfacht gesagt, können flexible Arbeitsformen dann erfolgreich gelebt werden, wenn Geben und Nehmen in einer gesunden Balance sind und im Team gemeinsame Vorstellungen zur Zusammenarbeit, eine gesunde Feedbackkultur und eine hohe Verbindlichkeit bestehen.

 

Die permanente Erreichbarkeit lässt die Grenzen zwischen Privatleben und Arbeitswelt verschwimmen. Wie kann man gegensteuern?

Als Erstes ist es wichtig zu erkennen, dass sich Menschen sehr stark unterscheiden in Bezug auf ihren Wunsch, Grenzen zwischen unterschiedlichen Lebensbereichen zu ziehen. Segmentierer wünschen sich eine klare räumliche und zeitliche Trennung von Arbeit und Privatleben. Integrierer wollen diese Bereiche hingegen möglichst gut mischen und aufeinander abstimmen. Wenn ich weiss, welcher Typ ich bin und was mir guttut, ist es relativ einfach, Taktiken zu definieren und meinem Umfeld zu kommunizieren. Ein Segmentierer stellt die Push-Nachrichten auf dem Handy ab und macht mit dem Team ab, dass in dringenden Fällen ausserhalb der Kernzeiten eine Nachricht geschrieben werden kann. Ein Integrierer schätzt es wiederum, wenn er tagsüber Zeit mit den Kindern verbringen kann und dafür abends, wenn die Kinder im Bett sind, nochmals Dinge zu Hause aufarbeiten kann.

 

Wie und wo arbeiten Sie am liebsten?

Ich arbeite am liebsten im Coworking Space Wunderraum in Pfäffikon. Das ist auch der Sitz unserer Firma. Die beiden Gründerinnen haben ihre erste Berufserfahrung im Hotelleriebereich gesammelt. Dass sie nicht Bürobetreiberinnen sind, sondern leidenschaftliche Gastgeberinnen, spürt man vom ersten Betreten des Raums an. Ich habe über Coworking meine Dissertation geschrieben und mich zuerst als Theoretikerin an dieses Thema angenähert. Von den beiden Unternehmerinnen habe ich am meisten gelernt.

Zur Person

Barbara Josef begleitet mit ihrer Firma 5-9 AG Organisationen in Transformationsprozessen Richtung neue Arbeitswelten. Bis Ende 2015 war sie Leiterin Kommunikation und gesellschaftliches Engagement als Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Schweiz, wo sie unter anderem 2009 den «Home Office Day» (heute «Work Smart Initiative») mitinitiiert hat. Auf die Erstausbildung zur Primarlehrerin folgten Lizenziat und Promotion in Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen.

Barbara Josef, Co-Founderin von 5-9 im Gespräch an der Bar